Geschichte der Sternwarte
Wellmann – Neues Institut
Die im Rahmen der Arbeiten zur Theorie der Sternatmosphären
erforderlichen Sternspektren wurden zunächst vor allem von befreundeten
amerikanischen Astronomen am 5-m-Mt.-Palomar-Spiegel, dem
3-m-Lick-Spiegel und dem 2.5-m-Mt.-Wilson-Spiegel
aufgenommen und der Sternwarte zur Analyse zur Verfügung gestellt.
Ab Beginn der 1970er Jahre konnte dann die spektroskopische (und
photometrische) Datengewinnung zunehmend von den Sternwartmitarbeitern
mit den Teleskopen der 1969 in Chile in Betrieb gegangenen Europäischen
Südsternwarte durchgeführt werden.
Ab 1975 bot zusätzlich auch noch das Deutsch-Spanische
Astronomiezentrum auf dem Calar Alto in Südspanien die Möglichkeit
hierzu.
In dieser Zeit änderten sich auch allmählich die
Reduktionsmöglichkeiten der Daten an der Sternwarte Bogenhausen.
Da die Eurocomp RPC 4000 in Maschinensprache programmiert werden
musste und ihre Rechengeschwindigkeit nicht gerade besonders hoch war,
ergriffen die Sternwartmitarbeiter daneben auch die ab 1964 vom gerade
gegründeten Leibniz-Rechenzentrum der Akademie gebotene Möglichkeit,
den dort vorhandenen Telefunkenrechner TR4 mit einem
ALGOL-Compiler zu nutzen.
Ab Beginn der 1970er Jahre, als das Rechenzentrum dann in einen Neubau
an der Barerstraße umgezogen war und den Betrieb mit einem Großrechner,
einer Doppelprozessoranlage TR440, aufnahm, wurde das Arbeiten
dort trotz der räumlichen Entfernung immer beliebter.
Ab 1977 profitierte die Sternwarte dann von der im Rahmen des Aufbaus
eines Hochschulnetzes im Leibniz-Rechenzentrum installierten ersten
Cyber-175-Maschine der Control Data Corporation,
die zusammen mit der ein Jahr später montierten zweiten Einheit das
damals größte Hochschulrechenzentrum Deutschlands mit einem Gesamtwert
von knapp 40 Millionen DM darstellte.
Die Rechenanlage hatte eine Nennleistung von 8 Millionen Operationen
pro Sekunde und verbesserte damit auch spürbar die Rechenzeitengpässe
an der Sternwarte, bei der jedoch der Umstellungsprozess der auf
langfristige Benutzung zugeschnittenen Rechenprogramme zunächst eine
beträchtliche Zeit in Anspruch nahm.
Noch bequemer wurde dann der Zugang zur neuen Anlage, als nach dem
am 31. Juli 1979 erfolgten Anschluss der Sternwarte an das
Datenfernverteilungsnetz des Rechenzentrums die ersten Terminals im
Institut aufgestellt worden waren.
Zur Beschaffung des erforderlichen Raums war die alte Eurocomp
RPC 4000, die zuletzt nur noch sporadisch benutzt wurde,
stillgelegt und demontiert worden.
Die Aufarbeitung von Messdaten konnte dann noch weiter beschleunigt
werden, als 1981 ein Tektronix-4051-Terminal
mit graphikfähigem, monochromen Bildschirm und angeschlossenem
Benson-Plotter über die Cyber 175 des Rechenzentrums betrieben
werden konnte.
Wellmann förderte stets diese Entwicklungen, beschäftigte sich
auch persönlich mit der Programmierung und dem Betriebssystem von
Mikrocomputern der Sternwarte und schaffte Anfang der 1970er Jahre
sogar einige der gerade auf den Markt gekommenen Taschenrechner von
Texas Instruments und Hewlett-Packard an.
Trotzdem solche Rechner nicht viel mehr als die vier
Grundrechenarten beherrschten, waren sie mit etwa 1000 DM
pro Exemplar ausnehmend teuer.
Die Möglichkeiten der Bearbeitung von Spektren mit den klassischen
Reduktionsgeräten an der Sternwarte wurden allmählich durch die auch
für Sternwartangehörige verfügbare, computergesteuerte und weitgehend
automatisierte GRANT-Maschine der zwischenzeitlich in Garching
errichteten Europa-Zentrale der Europäischen Südsternwarte ersetzt.
Aber die stürmische Entwicklung der modernen Detektoren, die den
Einsatz von Photoplatten in der Astronomie rasch beendete, machte
auch diese fortschrittliche Variante der Reduktion obsolet.
Von nun an konnten Datenaufarbeitung, Interpretation und Publikation
der Ergebnisse ausschließlich computergestützt im eigenen Arbeitszimmer
durchgeführt werden.
![[La-Silla-Observatorium]](01_LaSilla1_.jpg) ![[La-Silla-Observatorium]](02_LaSilla2_.jpg)
Die Europäische Südsternwarte auf dem Cerro La Silla war seinerzeit
mit ihren 16 teilweise innovativen Teleskopen das beste optische
Observatorium der Welt.
Sie wurde quasi zum Hausobservatorium der Sternwarte Bogenhausen.
Zusätzlich bot seit 1975 auch das Deutsch-Spanische Astronomiezentrum
auf dem knapp 2200 m hohen Calar Alto in der Sierra de los Filabres
Südspaniens mit seinen Teleskopen Beobachtungsmöglichkeiten, auf die
die Bogenhausener Astronomen häufig zurückgriffen.
![[Ausrangierte Geräte der alten Sternwarte]](05_Institut22_.jpg)
Die größeren, ausrangierten Geräte der alten Sternwarte waren nach
dem Abriss der Anlage nicht entsorgt, sondern in einem Nebenraum des
Refraktorgebäudes eingelagert worden.
![[Reichenbachscher Meridiankreis]](07_Institut24_.jpg)
Anfang der 1990er Jahre wurden dann der Reichenbachsche (links) und
der Repsoldsche (rechts) Meridiankreis an einem würdigeren Ort, dem
Eingangsbereich von Parterre und Obergeschoss des Institutsgebäudes,
wieder aufgestellt, um diese eindrucksvollen Geräte einem weiteren
Personenkreis bekannt zu machen.
Der Repsoldsche Meridiankreis befindet sich seit 1994 im Deutschen
Technikmuseum in Berlin.
![[Kleingeräte aus der Geschichte der Sternwarte]](09_Institut26_.jpg) ![[Kleingeräte aus der Geschichte der Sternwarte]](10_Institut27_.jpg)
In mehreren Vitrinen werden im Foyer auch Kleingeräte aus der langen
Geschichte der Sternwarte Bogenhausen präsentiert.
Die Arbeiten an der Sternwarte Bogenhausen konnten in der Zeit
Wellmanns immer ruhig und ohne Behinderung durch äußere Einflüsse
durchgeführt werden.
Die revolutionäre Studentenbewegung, die im Jahre 1968 kulminierte
und unter deren Einfluss Vorlesungen und Seminare an der Universität
gestört wurden, hatte keine erkennbaren Auswirkungen auf ihr
wissenschaftliches Leben.
Die Revolte, die rasch wieder verebbte, blieb allerdings nicht
ganz ohne Folgen und führte mit dem am 21. Dezember 1973 erlassenen
neuen Hochschulgesetz zu tiefgreifenden Änderungen der universitären
Organisationsstruktur, die dann auch die Sternwarte in Bogenhausen
erfasste:
Im Rahmen dieses Gesetzes wurde zum 1. Oktober 1974 an Stelle der
Universitäts-Sternwarte München eine neue wissenschaftliche
Einrichtung unter dem Namen Institut für Astronomie und
Astrophysik der Universität München ins Leben gerufen.
Das Institut in Bogenhausen trug weiterhin die Bezeichnung
Universitäts-Sternwarte und bildete mit der Außenstelle
Sonnenobservatorium Wendelstein das Gesamtinstitut.
Die Zahl von insgesamt ca. 65 Diplomarbeiten und 15 Dissertationen
zeugt von der Attraktivität, die das Fach Astronomie bei den
Studenten der Physik in dieser Zeit wieder gefunden hatte, und von den
vorzüglichen Arbeitsbedingungen, die das neue Institut bieten konnte.
Wellmanns Vision hatte Gestalt angenommen und er konnte seinem
Nachfolger Rolf-Peter Kudritzki am 1. September 1982 ein aufstrebendes,
international anerkanntes Institut übergeben.
Bildquellen:
Nr. 5–11: USM
Nr. 1–3: ESO
Nr. 4: DSAZ
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