Geschichte der Sternwarte
Wellmann – Altes Sternwartgebäude
Am 1. November 1961 hatte Peter Wellmann für die kommenden 21 Jahre
den vakanten Lehrstuhl für Astronomie an der Universität und
die Leitung der Sternwarte in Bogenhausen übernommen, wo er einen
heruntergekommenen Gebäudekomplex mit veralteter wissenschaftlicher
Einrichtung und einer beinahe antik wirkenden feinmechanischen
Werkstatt vorfand.
Er hatte seine neue Position jedoch nur unter der Voraussetzung
angetreten, dass baulich ein radikaler Schnitt und wissenschaftlich
eine Neuorientierung stattfinden würde.
Die Zeit war reif hierzu:
In München war der Wiederaufbau schon weit fortgeschritten und der
Wunsch nach einer zeitgemäßen astronomischen Forschungsstätte hatte
daher endlich bei den zuständigen Behörden ein offenes Ohr gefunden.
Begünstigt wurde die Situation zusätzlich dadurch, dass einige
europäische Staaten, darunter auch Deutschland, gerade beabsichtigten,
gemeinsam eine europäische Sternwarte auf der südlichen Hemisphäre
zu errichten.
Wellmann stammte aus Berlin, hatte in Bonn Astronomie, Physik
und Mathematik studiert und war dann ab 1935 als freiwilliger
wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Sternwarte Berlin-Babelsberg
tätig.
Sein Hauptarbeitsgebiet dabei war die Spektroskopie veränderlicher
Sterne, Novae und Sternen mit Emissionslinien.
Parallel hierzu liefen auch Arbeiten zur Theorie der Sternatmosphären.
Nachdem Wellmann im Mai 1941 zum Militärdienst eingezogen worden war,
geriet er in den Einflussbereich von Kiepenheuer und erhielt Aufgaben
aus dem Gebiet der Ionosphärenforschung zugewiesen.
Im Rahmen des Kiepenheuerschen Aufbauprogramms von Sonnenobservatorien
richtete er dann eine Beobachtungsstation der Luftwaffe in Syrakus
auf Sizilien ein, die Anfang Oktober 1942 in Betrieb ging.
Dem Observatorium war jedoch kein langes Leben beschieden, denn es
musste nach der Invasion der Alliierten auf Sizilien im Juli 1943
aufgegeben werden.
Wellmann fand dann ein neues Betätigungsfeld in dem gerade
fertiggestellten Sonnenobservatorium auf dem Schauinsland bei Freiburg.
Nach kurzer Kriegsgefangenschaft hatte er sich dann ab Mai 1946 an
der Hamburger Sternwarte wieder seinem eigentlichen Spezialgebiet,
der Sternspektroskopie, zuwenden können.
Daneben beschäftigten ihn auch Fragen im Zusammenhang mit den
Grundlagen der kosmischen Elektrodynamik, der Radioastronomie und
der Anwendung elektronischer Rechenanlagen in der Astrophysik.
In die Hamburger Zeit fielen auch die meisten internationalen Kontakte
Wellmanns, die ihn teilweise auch für längere Zeit an die
Sternwarten von Cambridge, Toronto, Helwan (Kairo) und zur
Boyden-Station in Bloemfontain (Südafrika) führten.
![[Peter Wellmann]](01_Wellmann_.jpg)
Peter Wellmann an seinem Schreibtisch Anfang der 1970er Jahre und
sein engster Mitarbeiter Hans-Günter Groth, den er 1962 von Hamburg
nach München geholt hatte.
Mit dem Institutsneubau und der Neuorientierung der Arbeitsschwerpunkte
schuf Wellmann nach Jahrzehnten untergeordneter Bedeutung die
Voraussetzungen für den allmählichen Anschluss der Sternwarte in
Bogenhausen an den internationalen Standard astrophysikalischer
Forschung.
Um der drängenden Raumnot zu begegnen, waren schon nach der
Jahrhundertwende 1900 bauliche Änderungen am Sternwartgebäude
vorgenommen worden.
Die Photographie, aufgenommen Ende der 1950er Jahre mit Blick von
Südosten, zeigt den aus der Seeliger-Zeit stammenden Erweiterungsbau
auf dem Westflügel der Sternwarte.
Die Hütte auf dem Verbindungsgang Sternwarte–Refraktorgebäude wurde
zur Zeit Schoenbergs errichtet und sollte ein Horizontalspiegelsystem
aus der ehemaligen Strebelschen Sternwarte beherbergen.
Der Holzschuppen rechts diente als Garage.
Das Bild dokumentiert, dass aus der ehemaligen eleganten
Sternwartanlage im Laufe der Zeit ein aus der Not geborenes bauliches
Monster entstanden war.
Auch das für Petris Mercedes-Benz-Limousine der Baureihe 170 an der
Ostwand des Refraktorgebäudes errichtete Schutzdach trug wohl, ebenso
wie der Schuppen an der Nordwand, nicht gerade zur Verschönerung der
Anlage bei.
![[Feinmechanische Werkstatt im alten Sternwartgebäude]](05_C1962-64_.jpg)
Die Werkstätte im Westflügel des alten Sternwartgebäudes Ende 1964,
als der Rohbau des neuen Instituts schon fast vollendet war.
Die Kraftübertragung zu den Maschinen erfolgte hier meist noch über
Transmissionsriemen.
Die Bilder zeigen die Feinmechaniker Well und Mittermaier sowie
Werkstattleiter Körner in ihrem Reich.
Das Sekretariat mussten sich die beiden Damen aus Platznot mit einem
wissenschaftlichen Mitarbeiter teilen.
![[Steinheilscher Drei-Prismen-Spektrograph]](08_F1962-64_.jpg)
Der 1949 beschaffte Steinheilsche Drei-Prismen-Spektrograph wurde um
diese Zeit im Astrophysikalischen Praktikum zur spektralen Untersuchung
verschiedener Lichtquellen eingesetzt.
Den Umgang mit Sextanten erlernten Studenten auf der Eingangstreppe
zum Meridiansaal während des Astrometrischen Praktikums.
Da mit diesen Übungen grundlegendes astronomisches Wissen vermittelt
werden konnte, überlebten beide in modifizierter Form bis in die
1990er Jahre.
Die Auswirkungen der sich stürmisch entwickelnden Stadt München waren
auch in Bogenhausen nicht aufzuhalten:
Die Münchener Bevölkerungszahl hatte nach den durch den Bombenkrieg
verursachten Einbußen schon Mitte des Jahres 1958 die Millionengrenze
überschritten und wuchs stetig weiter an.
Im April 1963 wurden in der Sternwartstraße die stilvollen Gaslaternen
durch elektrisch betriebene Peitschenlampen ersetzt.
Der mit dem Fahrrad unterwegs gewesene Gaslaternenanzünder wurde
zumindest in der Sternwartstraße arbeitslos.
Im Jahre 1956 hatte es in München noch über 800 Gaslaternen gegeben,
die letzte wurde erst 1966 vor Schloss Nymphenburg gelöscht.
Die Aufnahme vom 3. April 1963 zeigt die Umrüstungsarbeiten vor dem
damaligen Eingang zur Sternwarte (Sternwartstraße 23).
Die neue Peitschenlampe liegt am Boden links von der Gaslaterne.
Wellmann, der alle Aktivitäten in München seinem Hauptziel, dem Aufbau
und Betrieb eines modernen Instituts, unterwarf, konnte sukzessive
die hierfür nicht förderlichen personellen Altlasten abbauen und die
für seine Pläne notwendige Personalstruktur schaffen.
Ab Mitte der 1960er Jahre hatte er dann weitgehend freie Hand bei
der Besetzung der durch Pensionierung oder Weggang frei gewordenen
Stellen, für die er ausschließlich ehemalige Studenten rekrutierte.
Lediglich sein engsten Mitarbeiter, Hans-Günter Groth (1927–1993),
war 1962 aus Hamburg nach München gekommen.
Felix Schmeidler war dann der einzige, der wie ein Monolith aus
längst vergangenen Zeiten in die astrophysikalische Gegenwart der
Sternwarte reichte.
Er vertrat das Gebiet der Astrometrie, führte unbeirrt seine absoluten
Deklinationsmessungen am Vertikalkreis fort und reduzierte diese
weiterhin mühevoll mit Rechenschieber und Logarithmentafel.
Er war überzeugt, dass das Deklinationssystem als eine Grundlage der
Positionsastronomie permanent überwacht und verbessert werden müsse.
Daneben wandte sich Schmeidler immer mehr auch
astronomiegeschichtlichen Themen zu.
Er konnte die Werke des Kopernikus und Regiomontan in Latein lesen
und ließ Gaussens Theoria motus corporum coelestium für die
Studenten des 21. Jahrhunderts wieder lebendig werden.
Biographische Aspekte behandelte er in zahlreichen Beiträgen zur
Neuen Deutschen Biographie ab, die von der Münchener Akademie
herausgegeben wird.
Die intensive Beschäftigung mit dem Mathematiker und Astronomen Johann
Müller (1436–1476), der später nach seinem Geburtsort Königsberg
Regiomontan genannt wurde, brachte ihm die Ehrenbürgerwürde
dieser unterfränkischen Kleinstadt ein.
Bildquellen:
Nr. 1–10: USM
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