Geschichte der Sternwarte
Rollwagen – Wendelstein
Die Astronomie auf dem Wendelstein nahm unter Rollwagen eine divergente
Entwicklung:
Auf dem Ostgipfel war es nach dem Weggang Kühns, auch als Folge der
Emeritierung Schoenbergs, ruhig geworden.
In der Zeit von 1956 bis 1960 wurde der Astrograph nur noch in
insgesamt 34 Nächten eingesetzt, um vornehmlich polarimetrische
Messungen an Kometen und galaktischen Nebeln durchzuführen, bevor
dann aus finanziellen und personellen Gründen der Betrieb gänzlich
zum Erliegen kam.
Auf dem Hauptgipfel konnte Müller zwar seine Tätigkeit weitgehend
selbständig gestalten, aber nicht zum Aufbau einer echten,
zielgerichteten sonnenphysikalischen Forschungsinstitution nutzen, da
er hierzu nicht ausgebildet war und offenbar auch kein entsprechendes
Interesse besaß.
Es ist aber sein Verdienst, dass das Observatoriums in die Aktivitäten
des Internationalen Geophysikalischen Jahres 1957/58 eingebunden
wurde, das neben verstärkten Anstrengungen auf allen Gebieten
geophysikalischer Forschung (z. B. Ozeanographie, Seismologie,
Glaziologie, Meteorologie, Geomagnetismus, kosmische Strahlung,
Ionosphärenphysik) auch für intensive Messungen der Sonnenaktivität
warb.
Gleichzeitig war auch in diesem Zusammenhang durch die Errichtung
von World Data Centers der infolge des Kalten Krieges sehr
eingeengte internationale Datenaustausch gefördert worden.
Der Wendelstein wurde so in dieses weltweite Beobachtungsnetz
eingebunden, in dem Tausende von Wissenschaftlern aus 67 Nationen
organisiert waren.
Müller hatte damit erreicht, dass künftig Wendelstein-Messungen in
den Datenzentren der Welt zur Gewinnung neuer Erkenntnisse verarbeitet
wurden.
So gingen z. B. jahrzehntelang täglich Sonnenkarten mit Informationen
zu Flecken, Fackeln, Filamenten, Plage-Regionen und Koronaintensitäten
sowie die Sonnenfleckenrelativzahl an das Fraunhofer-Institut in
Freiburg und an das World Data Center for Solar-Terrestrial
Physics in Boulder/Colorado (USA).
Lange Jahre wurden Flare-Daten an die Ionosphärenabteilung des
Fernmeldetechnischen Zentralamts der Bundespost in Darmstadt
übermittelt, um dort in das Internationale Ursigram-Netz der
Funkberatung eingespeist zu werden.
Zusätzlich wurden diese Daten auch im Quarterly Bulletin
on Solar Activity (Zürich) publiziert sowie zusammen mit
Protuberanzenbeobachtungen, die im Rahmen des Solar Mass
Ejection-Programms der National Oceanic and Atmospheric
Administration (USA) angestellt wurden, in den Solar-Geophysical
Data Reports veröffentlicht.
Eine enge Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Koronabeobachtung (vor
allem Photometrie im Licht der grünen Emissionslinie bei 5303 Å)
bestand darüberhinaus lange Zeit mit den Stationen Kislovodsk und
Alma Ata (ehemalige U.d.S.S.R.), Tatranská Lomnika (ehemalige C.S.S.R.)
und Norikura (Japan).
![[Sir Chandrasekhara Venkata Raman]](01_Raman_.jpg) ![[Yusuke Hagihara]](02_Hagihara_.jpg)
Rolf Müller, Leiter des Sonnenobservatoriums, hatte gelegentlich in
den 1950er Jahren prominenten Besuch auf dem Wendelstein.
Links: Sir Chandrasekhara Venkata Raman (1888–1970) aus Bangalore
(Indien) auf dem Weg zum Gipfel (mit Turban).
Für seine nach ihm benannte Entdeckung der inelastischen Streuung
des Lichtes (Ramanstreuung) hatte er 1930 den Nobelpreis in
Physik erhalten.
Mitte: Yusuke Hagihara (1897–1979), der Direktor der Sternwarte
Tokyo und des Sonnenobservatoriums Norikura (Japan), posiert bei
seinem Besuch mit Müller auf der Terrasse des Observatoriums.
Rechts: Willy Brandt (1913–1998), besuchte in seiner Zeit als
Regierender Bürgermeister von West-Berlin (1957–1966) den Wendelstein
und lauschte aufmerksam den Ausführungen Müllers.
Weniger prominente Besucher des Gipfelbereichs verfolgen teilweise
interessiert von außerhalb das Geschehen im Sonnenobservatorium.
Bildquellen:
Nr. 1–4: USM
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