Geschichte der Sternwarte
Lamont – Erdmagnetismus – Messreisen
Auf der Grundlage der verbesserten Messgeräte für den stationären
Observatoriumsbetrieb hatte Lamont ein Universalinstrument
entwickelt, mit dem man alle Kenngrößen des Erdmagnetfeldes auch
im Gelände bestimmen konnte, seinen berühmten Lamontschen
Reisetheodoliten .
Schon im Jahre 1844 begann er damit ausgedehnte, monatelange Messreisen
in West- und Nordeuropa zu unternehmen.
Der Vergleich der dabei gewonnenen Daten mit denen von München
überzeugte ihn von der Güte seines Instruments und weckte gleichzeitig
seinen Wunsch nach einer erdmagnetischen Vermessung größerer Gebiete.
Im Jahre 1849 wurden ihm daraufhin von der Akademie 300 Gulden für
die Vermessung Bayerns zur Verfügung gestellt, ein im Vergleich zum
Umfang des Unternehmens relativ geringer Betrag.
Da damals auch die linksrheinische Pfalz zum Königreich Bayern gehörte,
mussten zur Vermeidung von Datenlücken zusätzliche Messungen in den
angrenzenden Ländern Hessen, Baden und Württemberg durchgeführt werden.
Lamont bestimmte so in den Jahren 1849 bis 1854 auf insgesamt 16
Messreisen die magnetischen Kenngrößen an 124 ausgewählten Punkten.
Er arbeitete dabei nach dem Prinzip von Messschleifen, die in der
Station in Bogenhausen begannen und dort auch wieder endeten.
Dadurch konnten Differenzen zwischen der Basisstation und den
Wanderstationen ermittelt, die Qualität und Reproduzierbarkeit der
Messungen überprüft und zeitliche Variationen eliminiert werden.
Die Messdaten jeder Station wurden akribisch aufgezeichnet und
jeweils eine Skizze der Lage des Messpunktes angefertigt, um eventuell
erforderliche Wiederholungsmessungen zu erleichtern.
Dabei beschränkte sich Lamont nicht nur auf Beobachtungen in der Ebene,
sondern bestieg zu diesem Zweck auch Berggipfel (z. B. Wendelstein
und Benediktenwand).
Die Ergebnisse seiner Kampagne publizierte er 1854 in Tabellenform
und auch als Kartenwerk, in dem Isolinien der magnetischen Elemente
in Form von Differenzen zu den Bogenhausener Werten vom 1. Januar
1850 dargestellt sind.
Die Arbeit war mustergültig und diente als Vorbild für alle späteren
Vermessungen auch in anderen Ländern.
Im gleichen Jahre veröffentlichte Lamont ein ähnliches Werk für
Mitteleuropa, das auch auf zusätzlichen Daten beruhte, die ihm von
anderen Erdmagnetikern überlassen worden waren.
Deren Messergebnisse, die den Zeitraum 1830 bis 1854 umfassten, waren
jedoch nicht immer fehlerfrei, da sie oft an magnetisch gestörten
Plätzen und mit Geräten geringerer Qualität erhalten worden waren.
Nicht für jede der insgesamt 433 Stationen waren daher alle
magnetischen Kenngrößen nutzbar.
Beide Werke sind ein wichtiger Bestandteil der klassischen Literatur
des Erdmagnetismus und werden bis heute auch zur Bestimmung der
Säkularvariation des Erdmagnetfeldes herangezogen.
![[Titelblatt der Veröffentlichung]](01_Pub1_.jpg)
Lamonts Veröffentlichungen des Jahres 1854 mit dem Zahlenwerk (links)
und den Karten (rechts) der magnetischen Kenngrößen von Bayern und
Teilen Deutschlands.
![[Karte der magnetischen Deklination]](03_Karte1_.jpg)
Linien gleicher Deklination des Erdmagnetfeldes und die Position der
Messplätze für das Königreich Bayern (links) und Mitteleuropa (rechts).
Der Abstand der Isolinien beträgt 10′.
![[Messplatz-Skizze]](05_Messpl1_.jpg) ![[Messplatz-Skizze]](06_Messpl2_.jpg)
Die Lage der Messplätze in Aaachen, Münster und Utrecht nach Skizzen,
die Lamont angefertigt hat.
Lamonts Leistung ist umso höher einzuschätzen wenn man bedenkt,
dass er bei seiner Feldarbeit keinen Gehilfen zur Verfügung hatte
und dass das Reisen mit den Messinstrumenten in jener Zeit noch eine
recht mühevolle Angelegenheit sein konnte.
Da das Eisenbahnnetz erst im Entstehen begriffen war, musste er
vielerorts auf Kutschen oder gemietete Wagen zurückgreifen und dann
vor Ort Träger mieten.
Auch die wegen der Kleinstaaterei häufigen Grenzübertritte,
Zollformalitäten und das Einholen der Messerlaubnis erforderten eine
durchdachte Planung.
Nichtsdestoweniger ergriff er zu Beginn des Jahres 1856 eine sich
bietende Gelegenheit, seine erdmagnetischen Messungen auch auf
Regionen Europas auszudehnen, in denen die bisherigen Beobachtungen
sehr lückenhaft waren.
König Maximilian II. hatte nämlich eine ansehnliche Summe
aus seiner Privatkassa dazu bestimmt, um eine Anzahl grösserer
wissenschaftlicher Unternehmungen durch bayerische Gelehrte führen
zu lassen.
Lamont konnte tatsächlich erreichen, dass ihm für sein Unternehmen
3000 Gulden zur Verfügung gestellt wurden.
Er plante, seine Messungen während zweier Expeditionen auszuführen
und auf der iberischen Halbinsel zu beginnen.
Zuvor eignete er sich noch die nötigen Kenntnisse der spanischen
Sprache an, Französisch sprechen konnte er ohnehin, und reiste im
August 1856 über Paris und Tours zur spanischen Grenze.
Da aber dort die erforderlichen Legitimationspapiere noch nicht
angekommen waren und zudem der Postwagen nach Madrid für Wochen
ausgebucht war, disponierte er um und startete eine zweimonatige
Messkampagne in Südfrankreich.
Im darauffolgenden Jahr gelang es ihm dann, im Verlaufe zweier Reisen,
die zusammen ein halbes Jahr in Anspruch nahmen, Spanien und die
restlichen französischen Gebiete erdmagnetisch zu vermessen.
Zur Konstruktion seiner Karten standen ihm schließlich insgesamt die
Ergebnisse von 75 Messplätzen zur Verfügung.
Im Jahre 1858 schloss Lamont sein ambitioniertes Programm mit
Beobachtungen in Belgien und Holland sowie Dänemark, Preußen
(incl. Ostpreußen) und Sachsen ab und publizierte die Ergebnisse
wieder in Form von Tabellen und Karten.
Publikation des Jahres 1858 mit Daten und Karten der magnetischen
Vermessung Westeuropas.
![[Karte der magnetischen Deklination]](09_Karte5_.jpg)
Karten mit Isolinien der magnetischen Deklination für
Frankreich (links) und die iberische Halbinsel (rechts).
Der Abstand der Isolinien beträgt 1°.
Gedruckte Form einiger von Lamont skizzierter Messpunkte in
Frankreich, Spanien und Portugal.
Publikation des Jahres 1859 mit Daten und Karten der magnetischen
Vermessung Nordeuropas.
![[Karte der magnetischen Deklination]](13_Karte3_.jpg)
Karten mit Isolinien der magnetischen Deklination für Dänemark und
Preußen (links) sowie Belgien und Holland (rechts).
Der Abstand der Isolinien beträgt 1°.
Seine auf den Expeditionen benutzten erdmagnetischen Instrumente
haben in vollständigem Zustand die Zeit leider nicht überdauert
(ein unvollständiges Exemplar befindet sich im Geophysikalischen
Observatorium Fürstenfeldbruck), aber die Marinechronometer, die
er mit sich führte, werden heute noch in der Sternwarte Bogenhausen
aufbewahrt.
![[Konstruktionszeichnung des Reisetheodoliten]](15_Theodol1_.jpg)
Konstruktionszeichnung (links) und Realisierung (rechts) des von Lamont
in seiner mechanischen Werkstatt entwickelten Reisetheodoliten .
Damit hat er selbst große Teile Europas magnetisch vermessen.
Auf Expeditionen gelangten sie u. a. nach Zentralasien, Südafrika und
Australien und kamen auch im Rahmen einer Weltumsegelung zum Einsatz.
Bei den Marinechronometern handelt es sich um eines, das von Henry
Delolme (ca. 1800–1890) um 1840 in London gebaut wurde und eines der
Firma Barraud, Maker to the Royal Navy, 41 Cornhill, London ,
das etwa 1850 entstand.
Die Verdienste Lamonts beschränken sich nicht nur auf die Erforschung
der geographischen Verteilung der erdmagnetischen Kenngrößen, sondern
er beschäftigte sich auch erfolgreich mit Untersuchungen des
Erdstroms .
In diesem Zusammenhang war er an Experimenten Steinheils zur
telegraphischen Nachrichtenübermittlung beteiligt, die letztendlich
dazu führten, dass ab 1852 eine telegraphische Verbindung zwischen
der Sternwarte und der neu errichteten zentralen Telegraphenstation
in München installiert wurde.
Lamont schreibt hierzu:
Zunächst soll auf solche Weise eine gleichmäßige genaue Regulirung
der Uhren an sämmtlichen Eisenbahn- und Telepraphenstationen ermöglicht
werden, indem von der Sternwarte aus, der Augenblick des mittleren
Mittags im Telegraphenamt dahir signalisirt wird, und von da aus ein
Signal an die übrigen Stationen abgeht .
Die amtlichen Uhren in ganz Bayern hatten sich nun nach der von der
Sternwarte in Bogenhausen mit dem Reichenbachschen Meridiankreis
bestimmten Zeit zu richten.
Dabei sollte es auch beinahe einhundert Jahre bleiben.
Bildquellen:
Nr. 5–7, 15, 17: USM
Nr. 1–4, 8–14, 16: H. Soffel
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