Geschichte der Sternwarte
Lamont – Meridiankreis
Auf astronomischem Gebiet sah Lamont die Hauptaufgabe der Sternwarte
weiterhin darin, mit dem Reichenbachschen Meridiankreis die Positionen
schwacher, teleskopischer Sterne zu bestimmen.
Bei einem solchen Transitinstrument war das Teleskop nur um eine in der
Ost-Westrichtung liegende horizontale Achse drehbar und es erlaubte
zusammen mit einer Präzisionspendeluhr, die Durchgänge der Sterne
durch den Meridian nach Zeit und Höhe über dem Horizont zu messen.
Die Zeitbestimmung erfolgte, wenn der Stern das im Brennpunkt des
Teleskopokulars befindliche Fadenkreuz passierte.
Die Höhe über dem Horizont wurde anschließend an mehreren Stellen
eines mit der horizontalen Achse verbundenen Kreises abgelesen.
Damit waren die Rohdaten für eine Sternposition gewonnen, die nun
noch von den unvermeidbaren instrumentellen Fehlern und den Einflüssen
von Refraktion, Aberration und Nutation befreit werden sowie auf ein
vom Beobachtungsort unabhägiges Koordinatensystem reduziert werden
mussten.
Die vollständige Reduktion der Messdaten war im 19. Jahrhundert noch
eine aufwendige Rechenarbeit, die mit Bleistift, Papier, Tabellen und
Formelsammlungen von astronomischen Hilfsrechnern durchgeführt wurde.
Lamont hatte für seine Arbeit mit dem Meridiankreis seit 1839
durch wohlwollende Verfügung seiner Majestät des Königs
eine Assistentenstelle bewilligt bekommen, die ab 1849 mit Christian
Feldkirchner (1823–1886) besetzt wurde.
Feldkirchner hatte von 1840 bis 1842 beim Instrumentenbauer Ertel
gearbeitet und war dann als Mechaniker an der Sternwarte angestellt
worden.
Lamont erkannte aber bald seine vorzüglichen Anlagen als Beobachter
und Rechner und machte ihn zum Ersten Assistenten der Sternwarte.
Feldkirchner hat dann in der Folge mindestens die Hälfte der
Beobachtungen mit dem Meridiankreis durchgeführt und den größten Teil
aller Messungen einer ersten Reduktion unterworfen.
Bis zum Jahre 1872, also 32 Jahre lang, wurden auf diese Weise
ca. 80 000 Messungen an
ca. 40 000 Sternen vorgenommen, vorläufig reduziert
und in den Publikationsserien der Sternwarte veröffentlicht.
Bei all seinen wissenschaftlichen Aktivitäten war Lamont oft
in die Lage versetzt, eigene Gerätschaften anfertigen zu müssen
oder vorhandenes Instrumentarium zu verbessern, wobei ihm sein
Einfallsreichtum und sein technisches Geschick, das schon im
Schottenkloster gefördert worden war, von Nutzen waren.
Da er der Meinung war, die Apparate werden richtiger hergestellt,
und die Kosten der Herstellung um die Hälfte vermindert ,
wenn der Sternwarte eine eigene Werkstätte angegliedert sei, hatte
er schon vor seiner Amtsübernahme 1833 entsprechende Vorkehrungen
getroffen und beschäftigte dann ab 1835 im Ostflügel des Gebäudes
auf eigene Kosten zunächst einen und dann mehrere Mechaniker.
Die Bogenhausener Sternwarte gehört damit zu den ersten überhaupt,
die eine angegliederte feinmechanische Werkstatt besaßen, wo also
die Sphähre des Gelehrten und die Sphähre des Künstlers nicht
mehr scharf voneinander getrennt waren.
Die Palette der angefertigten Instrumente reichte von einem
Zonenapparat zur bequemeren Messung am Meridiankreis über
verschiedene Arten meteorologischer und magnetischer Instrumente
bis hin zu diversen Registriereinrichtungen und einer mechanischen
Rechenmaschine für die schnellere und bequemere Reduktion der
Meridianmessungen.
Dabei wurden auch Auftragsarbeiten angenommen, aber
blos da, wo erhebliche wissenschaftliche Resultate
in sicherer Aussicht standen
und die Verkäufe penibel verbucht.
Eine Zusammenstellung der 1859/60 in Lamonts Werkstatt hergestellten
Geräte unterschiedlichster Art listet als Empfänger Observatorien
und Einrichtungen in Stuttgart, Wien, Utrecht, Stockholm, Uppsala,
Trevandrum (Indien), Batavia (Indonesien) und Melbourne.
Der Reichenbachsche Meridiankreis mit Lamonts Zonenapparat (links),
der die Positionsmessung der Sterne in den von Lamont festgelegten
Himmelszonen erleichterte.
Ein solches Gerät wurde 1853/54 auch an die Sternwarte in Wien
geliefert.
Lamont baute noch weitere Zusatzgeräte zur effektiveren Nutzung des
Reichenbachschen Meridiankreises.
Die Abbildung zeigt Konstruktionszeichnungen eines
Galvanischen Zeitregistrierungs-Apparats
zur schnelleren Zeitbestimmung der Meridiandurchgänge.
Dabei konnten auf einer mit einer Pendeluhr mechanisch verbundenen,
geschwärzten Zinnwalze die Durchgangszeiten elektromechanisch per
Knopfdruck markiert und später mit einem Mikroskop genau ausgemessen
werden.
![[Apparat zur Registrierung beobachteter Helligkeiten]](04_Hellig_.jpg)
Das horizontale Gestänge am Meridiankreis erlaubte es, die visuell
geschätzten Helligkeiten der Sterne auf einer rußgeschwärzten Walze
festzuhalten.
Christian Feldkirchner führte mehr als die Hälfte der
Zonenbeobachtungen durch und reduzierte den größten Teil aller
Messungen.
![[Titelblatt der Veröffentlichung]](06_ObsAstr_.jpg)
Die vorläufig reduzierten Zonenbeobachtungen wurden in den
Observationes Astronomicae und den Annalen
(sowie deren Supplementbänden) publiziert.
Ab 1875 war Lamont dann mit der Revision und Reduktion aller Daten
der Münchener Zonen auf das Äquinoktium von 1880 beschäftigt, mit
dem Ziel der Herausgabe eines Gesamtkatalogs.
Diese Arbeit konnte aber bis zu seinem Tode 1879 nicht abgeschlossen
werden.
Auch sein Assistent Feldkirchner, der sieben Jahre später starb,
konnte das Werk nicht ganz vollenden.
Erst dessen Nachfolger Julius Bauschinger (1860–1934) brachte die
Arbeit zum Abschluss.
Der Katalog wurde schließlich 1890 als
Erstes Münchener Sternverzeichnis enthaltend die mittleren Örter von
33 082 Sternen
publiziert.
In den Jahren 1884 bis 1888 waren die restlichen
ca. 10 000 Sterne nochmals vermessen worden,
deren Positionen sich in den Lamontschen Aufzeichnungen als
unsicher erwiesen hatten.
Diese Resultate wurden dann 1891 als
Zweites Münchener Sternverzeichnis veröffentlicht.
![[Julius Bauschinger]](08_Bausch_.jpg)
Julius Bauschinger, der Christian Feldkirchner als Assistent
nachfolgte, brachte die Zonenbeobachtungen mit dem Reichenbachschen
Meridiankreis zum Abschluss.
Das Bild rechts zeigt das Titelblatt des 1890 publizierten
Ersten Münchener Sternverzeichnisses .
Seeliger, der Nachfolger Lamonts, hatte die noch erforderlichen
Restarbeiten veranlasst und ermöglichte damit ihre Publikation in
zwei Katalogen.
Bildquellen:
Nr. 1–9: USM
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