Geschichte der Sternwarte
Seyffer/Haidhausen
Im April 1805 äußerte sich Schiegg in einem Brief
zum Ablauf der dramatischen Ereignisse:
Eine churfürstliche Kommission in Begleitung des Herrn Hofrat
u. Hofastronomen Seyffer kam ganz unerwartet auf mein Zimmer mit dem
mündlichen Befehl Sr. Exzellenz des Herrn Ministers Freiherrn von
Montgelas, daß ich sogleich meine Instrumente an gemeldeten Herrn
Seyffer abgeben, u. dieser meine Geschäfte vollenden soll.
Am folgenden Tage wurde alles, was in Quadersteinen mit Blei vergoßen
war, durch Steinmetzen herausgebrochen, u. die Instrumente, die mich so
viel Mühe gekostet haben, auf den Platz des künftigen Observatoriums,
wo indessen eine hölzerne ‘Hütte’ steht, geschleppt.
Dort liegen sie nun, wie man mir sagt, noch eingepackt.
Die Hütte stand südlich des damaligen Dorfes Haidhausen und bei dem
gemeldeten Herrn handelte es sich um Karl Felix v. Seyffer, der
von 1789 bis 1804 eine Professur für Astronomie in Göttingen bekleidet
hatte und zuletzt Mathematik an der bayerischen Landesuniversität in
Landshut lehrte.
Seine Persönlichkeit und seine Fähigkeiten waren durchaus umstritten.
So wurde er von einigen Zeitgenossen als besoldeter Ignorant
und ein nur als astronomischer Handlanger brauchbarer
Müßiggänger bezeichnet.
Dieser Mann erhielt nun vom Kurfürst den Auftrag, eine größere
Sternwarte zu bauen und einzurichten.
Bevor jedoch konkrete Schritte unternommen werden konnten, musste erst
die bereits seit 1804 laufende und nach der am 1. Januar 1806 auf
Initiative von Napoleon vollzogenen Erhebung Bayerns zum Königreich
intensivierte Reorganisation der Akademie weiter vorangebracht werden.
In der auf den 1. Mai 1807 datierte Konstitutionsurkunde wurde erstmals
die Errichtung einer Sternwarte in München offiziell festgelegt
und in einem Erlass vom 28. März 1808 nochmals die Ergänzung der
mangelhaften Sternwarte ausdrücklich zugesichert.
Letztendlich war dann die Ersetzung der vorläufigen Bauten der
Sternwarte durch bessere für das Etatjahr 1809/10 eingeplant.
Hofrat Seyffer wurde daher angewiesen, die nötigen Instrumente
bereits jetzt anzuschaffen und zwar vorzugsweise in der
Utzschneider-Reichenbach-Liebherr’schen Anstalt , die 1804
als Mathematisch-Mechanisches Institut auf Initiative
von Joseph v. Utzschneider (1763–1840) gegründet worden war und
optisch-feinmechanische Instrumente von höchster Qualität herstellte.
![[Karl Felix v. Seyffer]](01_Seyffer_.jpg)
Links: Karl Felix v. Seyffer kam 1805 als Hofastronom nach
München und erhielt den Auftrag zum Bau einer der Akademie würdigen
Sternwarte.
U. a. wegen seines schwierigen Charakters scheiterte er an dieser
Aufgabe.
Seine Marmorbüste entstand wohl in der Zeit von 1789 bis 1804, als er
eine Professur für Astronomie an der Universität Göttingen bekleidete.
Das Bild wird in der Abteilung für Handschriften und seltene
Drucke dieser Universität aufbewahrt und ist das einzige, das
über die Physiognomie Seyffers Auskunft gibt.
Die Büste selbst ist verschollen.
Rechts: Joseph v. Utzschneider war eine schillernde Persönlichkeit:
Von seiner Ausbildung her war der Bauernjunge aus Rieden am Staffelsee
Licentiat beider Rechte , besaß einen Doktortitel in Philosophie
und war geprüfter Landschaftsgeometer .
Viele Jahre bekleidete er diverse hohe Staatsämter mit
Wirkungsschwerpunkt im Finanzwesen und in der Land- und
Forstwirtschaft.
Seine unternehmerischen Fähigkeiten bei der Gründung einer großen
Zahl von Fabriken sind Legende.
Große astronomische Arbeiten waren im Provisorium Haidhausen
nicht geplant, es sollte im Wesentlichen zur Unterstützung des
Topographischen Büros dienen.
Nur einige wenige Aktivitäten lassen sich nachweisen, die im
Wesentlichen die Bestimmung ihrer geographischen Parameter sowie die
Beobachtung des großen Kometen von 1811 zum Inhalt hatten.
![[Dokument von Seyffer]](03_SeyfAlt1808a_.jpg) ![[Dokument von Seyffer]](04_SeyfAlt1808b_.jpg) ![[Dokument von Seyffer]](05_SeyfAlt1810a_.jpg)
Basierend auf 1500 Messungen, die er von Januar 1807 bis
Juli 1808 mit einem Barometer durchgeführt hatte, bestimmte Seyffer
die Höhe seiner Sternwarte über dem mittelländischen
Meer zu 525.692 Meter entsprechend 1801.18 Bayerischen Schuh.
Ihre geographische Länge berechnete er mit Hilfe der Beobachtung von
Sternbedeckungen, der partiellen Sonnenfinsternis vom 16. Juni 1806
und der Kombination mit Messungen, die von 36 weiteren Stationen in
Deutschland, Europa und sogar Amerika durchgeführt worden waren.
Nach zweijähriger Reduktionsarbeit ergab sich die Längendifferenz
der Interimssternwarte zum damaligen Nullmeridian in Paris zu
−37m05.s56.
Die geographische Breite ermittelte Seyffer durch Beobachtungen von
Polaris zu
48°07′33″.
Als sich Anfang 1809 der fünfte Koalitionskrieg zwischen Österreich
und Frankreich anbahnte und die österreichischen Truppen am 10. April
1809 mit einem Angriff auf Bayern, das zwischenzeitlich die Fronten
gewechselt hatte, die Feindseligkeiten eröffneten, ließ Seyffer in
weiser Voraussicht die Einrichtung seiner Sternwarte auslagern.
Tatsächlich montierten biwakierende Soldaten deren Staketenzaun ab und
benutzten ihn in der weitgehend baumlosen Ebene östlich von München
als Brennmaterial für ihr Lagerfeuer.
Das aus Anlass der Auslagerung angelegte Inventarverzeichnis gibt
Auskunft über die instrumentelle Ausstattung und die sonstige
Einrichtung des Provisoriums.
![[Ausschnitt aus der Inventarliste]](07_Inv1809a_.jpg)
![[Ausschnitt aus der Inventarliste]](08_Inv1809b_.jpg)
![[Ausschnitt aus der Inventarliste]](09_Inv1809c_.jpg)
![[Ausschnitt aus der Inventarliste]](10_Inv1809d_.jpg)
Das Inventarverzeichnis aus dem Jahre 1809 listet unter
Instrumente neben Hygrometern, Barometern und sonstigen
Gerätschaften auch diverse Pendeluhren, darunter eine von Pierre Louis
Berthoud (1754–1813), dem berühmten Horologer de la Marine,
die dieser 1807/1808 in Paris angefertigt hatte.
Seit 1994 befindet sie sich im Deutschen Museum.
Weiter sind mehrere kleinere Teleskope verzeichnet, darunter solche von
den englischen Optikern Peter Dollond (1731–1820) und Jesse Ramsden
(1735–1800).
Dem peniblen Verzeichnis der Hausgeräthe kann man entnehmen,
dass es ein Bett für den Astronomen, bestehend in 1 Matratze,
1 Oberbett, 1 Couvert und 2 Kissen gab, idem für den
Hausmeister .
Weiter sind 8 Betttücher, 7 Kissenüberzüge und
1 Bettüberzug aufgelistet.
Zusätzliche Möbel waren ein Tisch von Kirschbaumholz und
ein alter Tisch und zwei Stühle für den Hausmeister .
An Werkzeugen gab es neben 1 Handbeil, 1 Holzaxt, 1 Hammer, 1 Hobel,
2 Sägen, 2 Stemmeisen auch 7 Schraubenzieher .
Da sich der Hauptkriegsschauplatz des fünften Koalitionskrieges rasch
nach Österreich verlagerte, konnte man sich nun auch auf höchster
Ebene um die Sternwartangelegenheit kümmern.
Offenbar war klar geworden, dass die für den Bau der Sternwarte
vorgesehenen Mittel im Etatjahr 1809/1810 nicht zur Verfügung stehen
würden und daher möglicherweise eine Wiederbelebung der Pläne zum Bau
einer Sternwarte auf dem Hohenpeißenberg schneller und kostengünstiger
zu realisieren seien.
Schon 1772 hatte Kurfürst Max III. Joseph auf Drängen von Lori die
Gründung eines Observatoriums auf dem Hohenpeißenberg, einem 980 m
hohen Berg in der Nähe von Weilheim, angeordnet.
Seit 1514 befand sich dort eine Kapelle, die sich allmählich zu
einer Wallfahrtsstätte entwickelte und 1604 dem nahe gelegenen
Augustinerchorherrenstift Rottenbuch unterstellt wurde.
In den Jahren 1616 bis 1619 war dann östlich der Kapelle eine neue
Kirche und ein Wohnhaus für Priester errichtet worden.
Im Zuge der sich entfaltenden wissenschaftlichen Tätigkeit der
Geistlichen hatte man dort schon ab 1758/59 meteorologische Messungen
vorgenommen, für die sich jedoch kaum jemand interessierte.
Die hochfliegenden Sternwartpläne, bei deren Realisierung auch das
Kloster Polling beteiligt war, führten schließlich nur zum Bau einer
Beobachtungsplattform auf dem Dach des Pfarrhofgebäudes.
Der Tod des Kurfürsten 1777 hatte dann weitere astronomische
Baumaßnahmen beendet, lediglich meteorologische Messungen lebten
wieder auf.
Im August 1809 kam es im Zusammenhang mit der Klärung der
Standortfrage eines neuen Observatoriums sogar zu einem hochrangigen
Kurzbesuch auf dem Hohenpeißenberg:
Innenminister Maximilian Joseph Graf v. Montgelas (1759–1838) und
Finanzminister Johann Wilhelm Frh. v. Hompesch-Bollheim (1761–1809)
wollten die Möglichkeit prüfen, die zwey göttlichen Schwestern
Astronomie und Meteorologie in nahen Bund zu bringen und sich
persönlich ein Bild von der Eignung des Standortes machen.
In einem Schreiben vom 16. Oktober 1809 informierte Montgelas dann
die Akademie über das Resultat der Entscheidungsfindung.
Dabei ist nur noch die Rede davon, der König habe den Wunsch,
dass sich die Akademie der meteorologischen Beobachtungen auf dem
Hohenpeißenberg annehmen solle.
Der Bau einer Sternwarte wird nicht erwähnt, mit den Überlegungen
zu einem astronomische Observatorium auf dem Hohenpeißenberg war es
unwiderruflich vorbei.
Blick vom Hohenpeißenberg auf die Alpenkette nach einer
Lithographie aus dem Jahre 1838.
Die Wallfahrtskirche mit Bepobachtungsplattform auf dem Dach des
Pfarrhofgebäudes ca. 1935.
![[Maximilian Joseph Graf v. Montgelas]](14_HPeisMontgel_.jpg)
Innenminister Montgelas (links) und Finanzminister
Hompesch-Bollheim (rechts) überprüften 1808
den Hohenpeißenberg als möglichen Standort einer Sternwarte.
![[Das Kloster Polling]](16_HPeisPoll_.jpg)
Das Kloster Polling (links) bei Weilheim wurde erstmals um
750 errichtet, ab 1714 neu erbaut und entwickelte sich dann im
18. Jahrhundert zu einem Hort der Wissenschaft.
Die Wallfahrtsstätte auf dem Hohenpeißenberg wurde 1604 dem 1073
gegründeten Augustinerchorherrenstift Rottenbuch (rechts) unterstellt.
Im Zuge der sich entfaltenden wissenschaftlichen Tätigkeit der
Geistlichen nahm man auf dem Berg schon ab 1758/59 meteorologische
Messungen vor.
In Haidhausen stagnierte zwar der vorgesehene Bau der Sternwarte
weiterhin, die 1803 in die Wege geleitete Säkularisation jedoch,
die vor allem auch die Enteignung von Klostervermögen legitimierte,
sorgte immer noch für einen Zuwachs ihres Instrumentenbestandes.
Die Akademie profitierte hier in hohem Maße von der Tatsache, dass
beinahe in jedem bayerischen Kloster Wissenschaft betrieben worden
war und daher die entsprechenden Geräte, die oft in klostereigenen
Werkstätten hergestellt worden waren, sowie die umfangreichen
Klosterbibliotheken eine willkommene Bereicherung auch für
Universitäten, Lyzeen und Gymnasien darstellten.
Erst diese Geräte, vor allem die aus Polling, Rottenbuch,
Benediktbeuern, Tegernsee und St. Emmeram in Regensburg, machten das
Physikalische Kabinett der Akademie zu einem der wichtigsten in
Europa und begründete ihre Bedeutung als Mittelpunkt physikalischer
und astronomischer Forschung.
Im Jahre 1811 erhielten die beiden Konservatoren Maximus v. Imhof
(1758–1817) und Johann Baptist v. Spix (1781–1826) von der Akademie
den Auftrag sich nach Regensburg zu begeben und die Auswahl der
physikalischen Instrumente und Naturalien aus den dortigen Sammlungen
für die hiesigen königlichen Sammlungen zu bewerkstelligen.
Canonicus Imhof hat die in den beiliegenden Verzeichnissen A, B
und C für das hiesige Kön. physikalische Museum, für das chemische
Laboratorium und für die Sternwarte ausgezeichneten Instrumente
auszuscheiden und für deren gute Verpackung und Hinbringung Sorge
zu tragen.
Spix war für die Auswahl der naturhistorischen Apparate und
Naturalien zuständig.
Das von Imhof am 12. November 1811 signierte Verzeichniß der aus
dem physikalischen Kabinete zu St. Emmeram von Unterzeichnetem für
die akademische Sammlung ausgewählten Instrumente umfasst ca. 150
Objekte, die in diesem Zusammenhang nach München transferiert wurden.
Diese späte Requirierung hängt damit zusammen, dass erst mit
dem Pariser Vertrag vom 28. Februar 1810, in dem sich Bayern mit
Frankreich über Gebietsarrondierungen verständigt hatte, das 1802/03
neu gegründete Fürstentum Regensburg Bayern zugeschlagen wurde.
Die Klostergebäude kamen an das Fürstenhaus der Thurn und Taxis,
dem schon seit einiger Zeit Teile der Klosteranlage gehörten und das
diese nun insgesamt in ein Schloss umbauen ließ.
Der Exaugustiner Imhof hatte Physik, Mathematik und Philosopie studiert
und leitete seit 1792 das Physikalische Kabinett der Akademie.
Einen Namen machte er sich auch durch seine Bemühungen um die
Verbreitung des Blitzableiters.
Trotz der bestehenden theologischen Bedenken, dass man nicht
durch Ableiten der Blitze in die göttliche Vorsehung eingreifen
solle , hatte er die Erfindung von Benjamin Franklin (1706–1790)
weiterentwickelt indem er statt Eisenstangen geflochtenen Messingdraht
benutzte.
Zwischen 1795 und 1816 wurden in Bayern nach diesem Konzept über
1000 Blitzableiter installiert.
Spix wurde nach seinem Studium der Philosophie, Theologie, Medizin
und der Naturwissenschaften 1811 zum Konservator der zoologischen
Sammlungen ernannt.
Bekannt wurde dieser bayerische Humboldt durch eine Expedition,
die er von 1817 bis 1820 zusammen mit dem Botaniker Carl Philipp
v. Martius (1794–1868) nach Brasilien unternahm.
Spix und Martius erkundeten ausgehend von Rio de Janeiro das Innere
Brasiliens und vor allem das Amazonasgebiet.
Dabei entdeckten sie im Osten des Landes die sog. Santana-Formation,
eine der bedeutendsten Fossillagerstätten der Welt aus der frühen
Kreidezeit.
Die mitgebrachten Tiere, Pflanzen, Mineralien, Versteinerungen und
ethnographischen Gegenstände bereichern heute noch die entsprechenden
Sammlungen in München.
![[Anweisung der Akademie an Imhof und Spix]](20_Emmeram1_.jpg)
Anweisung der Akademie vom 12. November 1811 an die Konservatoren
Imhof und Spix, sich nach Regensburg zu begeben und im Kloster
St. Emmeram Geräte u. a. für die Sternwarte zu requirieren.
![[Ausschnitt aus dem Verzeichnis der transferierten Geräte]](22_Emmeram3_.jpg) ![[Sextant von Troughton]](24_Troughton_.jpg)
Im Verzeichnis der aus St. Emmeram nach München transferierten Geräte
findet sich z. B. neben einer
Verbindung von hölzernen Zirkeln zum Studium der sphärischen
Astronomie auch ein zehnzölliger englischer Original Sextant
von Troughton in London nebst Stativ, doch ohne Glashorizont ,
der sich noch heute in der Sternwarte in Bogenhausen befindet.
Das Instrument wurde um 1802 in der Firma der Brüder John (1739–1807)
und Edward (1753–1835) Troughton hergestellt, die seinerzeit zu
Englands führenden Instrumentenbauern gehörten.
![[Cométographie von Alexandre Guy Pingré]](25_Buch1783a_.jpg)
In der Bibliothek der Sternwarte in Bogenhausen befinden sich heute
noch auch einige hundert Bücher aus dem 16. bis 19. Jahrhundert,
die zumindest teilweise aus der Plünderung der Klöster stammen.
Ganz sicher ist dies für einige Exemplare, die das Ex Libris
des Pollinger Probstes Töpsl tragen.
Abgebildet ist hier das Hauptwerk des französischen
Augustiner-Chorherren und Astronomen Alexandre Guy Pingré (1711–1796),
die Cométographie.
Mit etwa
80 000 Bänden
befand sich im Chorherrenstift Polling bis zur Säkularisation
eine der umfangreichsten Bibliotheken in Bayern.
Die von Seyffer 1808 bei Utzschneider, Reichenbach und Liebherr
bestellten Instrumente waren 1811/12 geliefert worden.
Der Jahresbericht der Akademie, herausgegeben zur Feyer des
Maximilianstages am 12. Oktober 1812, gibt hierzu an:
Eine baldige Vergrößerung erheischt dringend die jetzige
interimistische Sternwarte, damit die nun fertigen drey Instrumente,
die in allen ihren Theilen und mit Einschluß der Gläser zugleich
als rühmliche Zeugnisse weitgetriebener vaterländischer Kunst
anzusehen sind, ihre Aufstellung finden und gebraucht werden
können.
Die geäußerte Vermutung, daß diese drey vorzüglichen
Fundamental-Instrumente noch im Laufe des nächsten Jahres gebraucht
werden können , erwies sich leider als nicht zutreffend.
![[Mittagsrohr]](27_Mittagsr_.jpg) ![[Äquatorial]](28_Aequato_.jpg)
Bei den 1811/12 gelieferten Instrumenten handelte es sich um ein
sechsfüßiges vollständiges Mittagsrohr, mit einer Objectiv-Oeffnung
von 4 ¼ Zoll (links), um ein vollständiges Aequatorial nach
der neuesten Construction, mit dreysigzölligen Declinations- und
dreysigzölligen Aequatorialkreis (Mitte) und einen dreyfüßigen
vollständigen astronomischen Multiplikations-Kreis, mit dreysigzölligen
Azimutal-Kreis und der Objektiv-Oeffnung von 3 ¼ Zoll (rechts).
Es stellte sich nämlich heraus, dass die neuen Instrumente im
vorhandenen Provisorium wegen ihres Gewichtes nicht optimal aufgestellt
und genutzt werden konnten.
Ein Erweiterungs- bzw. Neubau mit tief gemauerten Fundamenten,
evtl. sogar an einem anderen Platz, war daher nun unumgänglich geworden,
wenn die Instrumente das leisten sollten, was man von ihnen erwartete.
Obwohl die Lage bei Haidhausen eigentlich nicht schlecht war, entschied
man sich letztendlich für einen anderen Platz unmittelbar neben dem
Dorf Bogenhausen.
Offenbar war der ungefähre Standort schon von Seyffer in Erwägung
gezogen worden, aber
die Haupt Idee der Form zu einer neuen Sternwarte
kö¯ mt
von dem Königlichen Salinen Rathe, Herrn von Reichenbach, welcher im
Einverständniß mit dem Königlichen Astronomen und Steuer Rathe Herrn
Soldner den Platz ausgewählt hat.
Johann Georg v. Soldner, der ohne geregelte Schulausbildung sich
vor allem im Selbststudium Kenntnisse in Geodäsie, Mathematik und
Astronomie angeeignet hatte, war 1805 mit der Vermessung des damals
noch preußischen Fürstentums Ansbach betraut worden.
In diesem Zusammenhang war er in Kontakt mit Schiegg gekommen, der
ihm schließlich eine Stelle in der Steuervermessungskommission in
München verschaffte.
Soldner hatte dort im April 1808 seinen Dienst angetreten und dann
1810 mit seiner Denkschrift Theorie der Landesvermessung
die theoretischen Grundlagen der bayerischen Landesvermessung gelegt.
Seyffer, der schon seit 1813 mit dem Vorwurf der astronomischen
Untätigkeit leben musste, bekam zudem als jemand, der lange
Zeit als Ingénieur-Géographe enge Verbindungen zu Napoleons
Hauptquartier hatte, die Abkehr von der bisherigen Orientierung
Bayerns an Frankreich zu spüren.
Die provisorische Sternwarte wurde zum Politikum:
Sie sei Männern überlaßen, welche den Orden der französischen
Ehrenlegion hätten , wie ein Flugblatt anprangerte.
Seyffer wurde daraufhin von seinen astronomischen Aufgaben dispensiert,
aber 1815 zum Direktor des Topographischen Büros berufen.
Gleichzeitig ernannte man Soldner zum Hofastronomen und betraute ihn
mit der Leitung der provisorischen Sternwarte.
Er sollte nun endlich den Bau des neuen Observatoriums in die Tat
umsetzen.
Seine bisherige Tätigkeit in der Katasterkommission wurde auf
gelegentliche Beratungen beschränkt.
Für Soldner war die Übergabe der Sternwarte, die 1. April 1816
offiziell erfolgte, die Krönung seines Lebens, denn so ging sein
Wunsch nach einem ruhigen, permanenten Wirkungsbereich in Erfüllung.
![[Johann Georg v. Soldner]](30_Soldner1_.jpg)
Der Vater der bayerischen Landesvermessung Johann Georg v. Soldner
wurde zum Gründungsdirektor der Sternwarte in Bogenhausen.
Sein Buch Theorie der Landesvermessung (hier ein Nachdruck in
der Reihe Ostwalds Klassiker der exakten Wissenschaften aus dem Jahre 1911)
legte die Grundlagen der bayerischen Landesvermessung.
Dabei führte er das nach ihm benannte rechtwinklig-sphärische
Koordinatensystem ein, mit Nullpunkt in der Helmstange des nördlichen
Turms der Frauenkirche, und ersetzte das Erdellipsoid durch eine Kugel.
Deren Größe wählte er so, dass sie das Ellipsoid entlang des
Breitenkreises durch München gerade berührte.
Damit konnten die mathematischen Formeln wesentlich vereinfacht und
die Koordinaten der trigonometrischen Punkte viel leichter berechnet
werden.
Für ein Land von der Größe Bayerns waren die dadurch entstehenden
Abweichungen hinnehmbar.
Dieses Verfahren, das man bis 1873 als Dienstgeheimnis behandelte,
wurde in Bayern 150 Jahre lang angewandt und auch von zahlreichen
anderen Staaten übernommen.
Dieser Umgebungsplan Münchens aus dem Jahre 1812 verzeichnet
an der Stelle der Holzhütte eine Potemkinsche Sternwarte von
gigantischen Ausmaßen.
Ein solcher Bau wurde jedoch an diesem Platz nie realisiert.
Hier war bei Seyffer wohl der Wunsch der Vater des Gedankens gewesen.
Dieser Ausschnitt des Atlasblattes Nr. 77 des geplanten
Topographischen Atlas des Königreiches Bayern,
das im Sommer 1812 zur allerhöchsten Zufriedenheit
des Königs Max I. Joseph der Öffentlichkeit vorgestellt wurde,
zeigt die Lage der mit einem Kreis bezeichneten
Ehemaligen Kön. Sternwarte südlich von Haidhausen
und bereits die der Neuen Kön. Sternwarte bei Bogenhausen.
Der bayerische Nullmeridian führt dabei noch durch die alte
Sternwarte.
Im Jahre 1842 wurden in diesen Plan nachträglich existierende und
projektierte Eisenbahnlinien eingezeichnet.
Am 1. September 1839 war der fahrplanmäßige Eisenbahnbetrieb zwischen
dem Marsfeld und Lochhausen eröffnet worden, gefolgt von der Eröffnung
der Gesamtstrecke nach Augsburg am 4. Oktober 1840.
Als der provisorische Holzbahnhof auf dem Marsfeld (heute befindet
sich auf diesem Gelände die Hackerbrücke) am 4. April 1847 abbrannte,
wurde er durch einen Neubau ca. einen Kilometer weiter östlich ersetzt,
der sich zum heutigen Hauptbahnhof entwickelte.
Im Jahre 1868 begannen die Bauarbeiten für die projektierte Strecke
vom Hauptbahnhof über Friedenheim und Giesing nach Simbach mit der
Abzweigung nach Rosenheim.
Dabei entstand direkt neben der alten Sternwarte der Haidhauser
Bahnhof, der 1876 in Ostbahnhof umbenannt wurde.
Bildquellen:
Nr. 3–11, 20–30: USM
Nr. 1: Universität Göttingen
Nr. 12, 13: P. Winkler
Nr. 31: BAdW
Nr. 32: A. Brachner
Nr. 2, 14–19, 33: WWW
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