Geschichte der Sternwarte
Jesuitenkolleg
Im Auftrag des Topographischen Büros war Ende des Jahres 1801 der
französische Astronom Oberst Maurice Henry (1763–1825) nach München
gekommen, um die geographische Länge und Breite des nördlichen Turms
der Frauenkirche zu bestimmen und zur Einpassung in das Gradnetz der
Erde die Richtung der Basislinie, ihr Azimut, festzulegen.
Außerdem hatte er durch geodätische Winkelmessungen die Verbindung
der beiden Basispunkte mit den Kirchtürmen in München und Aufkirchen
hergestellt und war auch, bevor er nach Frankreich zurückkehrte, an der
Lagebestimmung der ausgewählten Vermessungshauptpunkte im Gradnetz der
Erde und am Aufbau des bayerischen Dreiecksnetzes beteiligt gewesen.
Für die weiteren Arbeiten musste man nun aber einen Astronomen
permanent einstellen und eine Sternwarte, eine
conditio sine qua non für eine erfolgreiche Landesvermessung,
aufbauen.
Man entschied sich für den Mathematiker und Astronomen Ulrich Schiegg,
der auch seine Fähigkeiten als Geodät bereits unter Beweis gestellt
hatte, und verpflichtete ihn als Hofastronom nach München.
Im Auftrage der Akademie richtete er im Januar des Jahres 1803 für das
Topographische Büro im Nordwest-Turm des ehemaligen Jesuitenkollegs
in der Neuhauser Straße ein kleines Observatorium ein.
Wahrscheinlich hatten dort schon die Jesuiten eine Beobachtungsstation
betrieben und Schiegg konnte möglicherweise zunächst auf einige dort
verbliebene Instrumente zurückgreifen.
Er erwarb jedenfalls auch neue von der 1802 von Georg
Friedrich v. Reichenbach (1771–1826) und Joseph Liebherr
(1767–1840) gegründeten Mathematischen Werkstätte, die
optisch-feinmechanische Präzisionsinstrumente, speziell für die
Landesvermessung, herstellte.
Das neu entstandene Observatorium im Zentrum Münchens diente
ausschließlich den Zwecken der Landesvermessung und kann als die
Keimzelle der Sternwarte in Bogenhausen bezeichnet werden.
Mit den besten Instrumenten ausgestattet, an deren Entwicklung und
Optimierung er persönlich mitgewirkt hatte, führte Schiegg in der
Folge geographische Breiten- und Längenbestimmungen ausgewählter
topographischer Punkte durch.
Darunter befand sich auch der Wendelsteingipfel, auf dem er während
eines beinahe zweimonatigen Aufenthalts im Juli und August 1804 unter
schwierigen Verhältnissen die erforderlichen Messungen ausführte.
Als er zur Qualitätsverbesserung auch Ortsbestimmungen solcher Punkte
vornahm, die schon von den französischen Geodäten vermessen worden
waren (z. B. der Nordturm der Frauenkirche),
schürte dies das Misstrauen der Franzosen, die sich überwacht fühlten.
Tatsächlich stieß Schiegg auf Unstimmigkeiten in deren Messungen
und stellte auch fest, dass das Azimut der Basislinie etwas zu klein
ausgefallen war.
Darüberhinaus kam es zwischen den Franzosen und den Bayern, die sich
mit wachsendem Selbstbewusstsein aus deren Bevormundung befreien
wollten, zu Meinungsverschiedenheiten über die weitere Konzeption
der Landesvermessung.
Dies alles stellte natürlich einen idealen Nährboden für Intrigen dar,
die Schiegg schon bald verspüren sollte:
Er wurde im März 1805 auf Betreiben der Franzosen seines Amtes
enthoben und zur Vermessung der fränkischen Fürstentümer Würzburg
und Bamberg abgestellt.
![[Die Gebäude des Jesuitenkollegs im Zentrum Münchens]](01_Jesuit1_.jpg)
Die Gebäude des Jesuitenkollegs entstanden im 16. Jahrhundert im
Zentrum Münchens.
Offenbar besaßen die Jesuiten zumindest bis zur Aufhebung des Ordens
1773 im Turm (oben links hinten) eine kleine Sternwarte, die 1803
von Ulrich Schiegg neu eingerichtet wurde.
Der Gesamtkomplex mit der Michaelskirche (rechts vorne) war nach
der Neuhauserstraße ausgerichtet, während sich der heute nicht mehr
vorhandene Turm mit dem Observatorium wahrscheinlich an der Ecke
Kapellenstraße/Maxburgstraße befand.
![[Ulrich Schiegg]](03_Schiegg_.jpg) ![[Joseph Liebherr]](04_Liebherr_.jpg)
Ulrich Schiegg (links) arbeitete mit Präzisionsinstrumenten aus der
von Georg Friedrich v. Reichenbach (rechts) und Joseph Liebherr (Mitte)
1802 in München gegründeten Mechanischen Werkstätte.
Bildquellen:
Nr. 1–5: WWW
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