Geschichte der Sternwarte
Landesvermessung
Da die Erstellung von genauerem Kartenmaterial schon in den
Satzungen der Akademie niedergelegt worden war, war man bereits
1761 einem kartographischen Unternehmen des späteren Direktors der
Pariser Sternwarte, César François Cassini de Thury (1714–1784),
aufgeschlossen gegenübergestanden.
Cassini hatte topographische Karten Frankreichs hergestellt, an
der Klärung der Frage, ob die Erde an den Polen oder am Äquator
abgeplattet sei, mitgearbeitet und wollte nun seine Aktivitäten
europaweit ausdehnen, d. h. ein einheitliches Triangulationsnetz
quer durch Europa erstellen.
Nachdem Cassini am 6. Juni 1761 in Wien den Venusdurchgang beobachtet
hatte, kam er im August 1761 für ca. vier Wochen nach München, wo
er als Ehrenmitglied in die Akademie aufgenommen wurde und bei einem
Empfang von Max III. Joseph die Erlaubnis erhielt,
die erforderlichen Arbeiten durchzuführen.
Er vermaß am Nymphenburger Kanal eine Basislinie von ca. 4 km Länge,
die als erste geschichtlich nachgewiesene Basis in Bayern gilt,
von der aus er dann eine Karte der Umgebung Münchens aufnahm.
Im Jahre 1762 kehrte er nach München zurück und versuchte, eine
Basislinie zwischen dem nördliche Turm der Frauenkirche in München
und der Pfarrkirche in Dachau zu vermessen.
Eine sinnvolle Nutzung der Arbeit scheiterte jedoch.
Da die Akademie aber an ihren Plänen festhalten wollte, verpflichtete
sie im Jahre 1767 Henri de Saint Michel (?–1793), einen ehemaligen
Assistenten Cassinis, zur Fortführung des Unternehmens.
Ausgestattet mit Branderschen Instrumenten und großem Enthusiasmus
stürzte sich dieser in seine Arbeit, konnte jedoch mit seinen
abgelieferten Karten nicht überzeugen und wurde daher im März 1769
entlassen.
![[César François Cassini de Thury]](01_Cassini_.jpg)
César François Cassini de Thury und seine Umgebungskarte Münchens
mit der Basislinie längs des Nymphenburger Kanals (1761).
Ausschnitt aus einer 1768 von Henri de Saint Michel publizierten
Umgebungskarte Münchens.
Der Schnittpunkt des Achsenkreuzes liegt auf dem Rockerl,
der akademischen Sternwarte.
Unterhalb von Haidhausen kann man das Leprosenhaus erkennen,
von dem Osterwald 1773 möglicherweise das Grundstück zur Errichtung
seiner Sternwarte kaufte.
Da weder Cassini noch Saint Michel die deutsche Sprache ausreichend
beherrschten, liegen bei vielen Ortsnamen abweichende Schreibweisen
vor.
Auch spätere Versuche der Herstellung einer Karte Bayerns, z. B.
von Osterwald und dem Generalstraßen- und Wasserbaudirektor Adrian
v. Riedl (1746–1809), blieben nur Stückwerk.
Es waren kriegerische Ereignisse im Rahmen der Auseinandersetzungen
mit dem revolutionären Frankreich, die dann aber der systematischen
Landesvermessung und auch der Astronomie in München den Boden
bereiteten.
Herzog Max IV. Joseph (1756–1825), der ab 1799 auf dem
bayerischen Thron saß, war ein Bündnis mit Österreich gegen
Napoleon Bonaparte (1769–1821) eingegangen und musste, von seinem
Bündnispartner im Stich gelassen, im Juni 1800 der französischen
Rheinarmee München kampflos überlassen.
Die Besatzer interessierten sich vor allem auch für Landkarten,
die sie zur Verwaltung des Landes und zur Planung militärischer
Operationen benötigten.
Sie plünderten daher das kurfürstliche Plankonservatorium, das
Riedl ab 1786 mit Kopien von Landkarten aus dem Besitz von Städten,
Klöstern und Herrschaftssitzen aufgebaut hatte.
Der französische Generalstab merkte aber bald, dass die von Riedl
gesammelten Pläne und sein Reise-Atlas von Baiern für seine
Absichten nicht tauglich waren und ordnete daher eine Neuvermessung
Bayerns an, mit dem Ziel der Herstellung einer astronomisch und
geographisch richtigen Karte .
Hierzu wurde eine Commission des Routes gegründet, der auch
bayerische Fachleute angehörten.
Wieder aufflammende kriegerische Aktivitäten verhinderten jedoch
zunächst eine zügige Umsetzung des Vorhabens.
Die Entscheidungsschlacht zwischen den alliierten
bayerisch-österreichischen Truppen und der französischen Armee
wurde am 3. Dezember 1800 bei Hohenlinden (etwa 30 km östlich von
München) geschlagen und endete mit einer vernichtenden Niederlage
der Alliierten.
![[Truppenstellungen in der Schlacht von Hohenlinden]](04_Hohenlin1_.jpg) ![[Gemälde der Schlacht]](05_Hohenlin2_.jpg)
Die Kämpfe von Hohenlinden am 3. Dezember 1800 führten zu einem
Desaster für die bayerisch-österreichischen Truppen,
Frankreich errang einen triumphalen Sieg.
Die Karte zeigt die Schlachtaufstellung, die zeitgenössische Graphik
stellt einen Teil des Geschehens dar.
Ein Denkmal am Ortsrand von Hohenlinden erinnert heute noch daran.
Nun war es Napoleon selbst, der eine topographische Karte Bayerns
forderte, um seine militärischen Unternehmungen besser planen zu
können.
Nach dem Friedensschluss vom 9.
Februar 1801 war Bayern in eine Art bewaffnete Neutralität entlassen
worden und die Franzosen, die ja nun keine Besatzungsmacht mehr waren,
zogen daher ab.
Dabei boten sie an, einige französische Ingenieure noch eine gewisse
Zeit zur Unterstützung bei den topographischen Arbeiten in München
zu belassen.
Das resultierende Kartenwerk sollte in das Eigentum des kurfürstlichen
Bayern übergehen und Frankreich nur eine Kopie überlassen werden,
die als Carte de la Bavière für das Operationsgebiet künftiger
Kriege gegen Österreich dienen sollte.
Mit Rescript vom 19. Juni 1801 rief dann der Kurfürst ein
Topographisches Bureau ins Leben, das unter der Leitung eines
französischen Offiziers stehen sollte.
Dieser Tag gilt daher als Gründungsdatum der bayerischen
Vermessungsverwaltung.
Schon einige Tage zuvor hatte eine Kommission als Hauptaufgabe
zunächst die Bestimmung einer Grundlinie beschlossen, an die sich
dann ein das ganze Land überspannendes Dreiecksnetz anschließen sollte.
Man erkundete im Sommer 1801 ein hierfür geeignetes, fast
menschenleeres, unwegsames Moos nordöstlich von München, das zudem
keine großen Höhenunterschiede aufwies.
Die geplante altbayerische Grundlinie wurde so projektiert,
dass ihre Verlängerungen exakt durch die Helmspitze des nördlichen
Turms der Frauenkirche und der Kirchturmspitze des Dorfes Aufkirchen
bei Erding gingen.
Der Turm der Frauenkirche wurde – wie schon vor knapp 40 Jahren
durch Cassini vorgeschlagen – als geodätischer Mittelpunkt von
Bayern festgelegt.
Am 25. August 1801 begannen dann die Messarbeiten unweit des Dorfes
Oberföhring und schon am 2. November 1801 konnten sie am Ortsrand
von Aufkirchen abgeschlossen werden.
Der Messvorgang war relativ einfach, musste aber äußerst präzise
durchgeführt werden.
Die Länge der von den französischen Ingenieuren nach dem Flüsschen
Goldach Base de la Goldach genannten Grundlinie ergab sich
nach Abschluss der 40-tägigen Arbeiten zu
21 653.752 m
und wurde sogleich von den bayerischen Mitarbeitern in das ihnen
vertraute Maß von
74 175
Bayerischen Schuh umgerechnet.
Beide Endpunkte versah man 1802 mit einem Monument in der Form eines
stumpfen Obelisken, um die Basislinie jederzeit nachmessen zu können,
aber auch zur adäquaten Erinnerung an dieses historische Ereignis.
Beide Monumente, die gewöhnlich als Basispyramiden bezeichnet werden,
sind heute noch vorhanden.
Dass man damals trotz der einfachen Ausrüstung gute Arbeit
geleistet hat, wurde im August 1992 nachgewiesen, als der bayerische
Urmaßstab satellitengestützt nachgemessen und lediglich eine
Abweichung von −70 cm gefunden wurde.
![[Messtrupp bei der Überquerung der Goldach]](07_Grundlinie1_.jpg)
Die Messung der Basislinie zwischen Oberföhring und Aufkirchen wurde
mit fünf Meter langen Messstangen aus Tannenholz durchgrführt.
Dabei wurde bereits die von der französischen Nationalversammlung
kurz zuvor beschlossene neue Längeneinheit Meter benutzt.
Der Messtrupp überquert hier gerade das Flüsschen Goldach.
Die technischen Zeichnungen geben Details zu einer Messstange und dem
benutzten Eichmaß an.
Karte der altbayerischen Grundlinie zwischen Oberföhring (links oben)
und Aufkirchen (rechts unten).
Die Isar verläuft am oberen Rand des dargestellten Gebiets.
![[Basispyramide bei Aufkirchen]](10_PyraAufk_.jpg)
Die fünf Meter hohen Basispyramiden am Ortsrand von Aufkirchen (links)
und Oberföhring (rechts) sind heute noch vorhanden.
Bildquellen:
Nr. 7, 8: M. Seeberger
Nr. 1–6, 9–11: WWW
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